ADHS – Was ist das eigentlich?

19.03.2025 von Dr. Arne Bürger

Seit Jahren hört man überall von ADHS. Aber was steckt eigentlich hinter diesen vier Buchstaben? Die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen – doch sie betrifft nicht nur die Jüngsten. Tatsächlich bleibt ADHS bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen​.

Was genau ist ADHS?

ADHS ist eine Entwicklungsstörung, die sich durch Probleme mit der Aufmerksamkeit, Impulsivität und – manchmal – ausgeprägter Hyperaktivität zeigt. Bei Erwachsenen weicht das „Zappeln“ oft einer inneren Unruhe.

Eine Sonderform ist die Aufmerksamkeits-Defizit-Störung (ADS), bei der die Hyperaktivität fehlt. ADS-Betroffene fallen oft durch Tagträumerei und Zerstreutheit auf, was die Diagnose erschweren kann.

Weltweit sind 5–7 % aller Kinder betroffen. In Deutschland schwanken die Zahlen zwischen 4 % und 9,3 %, je nachdem, welche Diagnosekriterien in der jeweiligen Studie herangezogen wurden.1 Im Erwachsenenalter bleibt ADHS oft bestehen, allerdings nimmt die Hyperaktivität häufig ab. Etwa 2,5 % der Erwachsenen erfüllen weiterhin die Diagnosekriterien, während bis zu 65 % noch Symptome aufweisen.2

Wie zeigt sich ADHS?

Die typischen Kernsymptome lassen sich in drei Bereiche einteilen:

Aufmerksamkeitsstörung

Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, sich längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren oder Dinge zu Ende zu bringen. Sie lassen sich leicht ablenken, weil ihr Gehirn Sinneseindrücke nicht effektiv filtert – alles scheint gleich wichtig. Dadurch geraten sie schnell in Nebensächlichkeiten, vergessen Termine oder verlegen Gegenstände. Das kann frustrierend sein und führt oft zu Gereiztheit und Erschöpfung.

Gleichzeitig gibt es das Phänomen der „Hyperfokussierung“: Dabei sind Betroffene so tief in eine Aufgabe oder ein Thema vertieft, dass sie alles um sich herum ausblenden. In diesen Momenten fällt es ihnen nicht schwer, konzentriert zu bleiben – im Gegenteil: Sie können über Stunden völlig in einer Tätigkeit versinken und dabei Hunger, Zeit oder andere Verpflichtungen vergessen.

Hyperaktivität

Hyperaktivität zeigt sich oft durch Zappeln, Sitzunruhe oder ständiges Reden. Während Kinder mit ADHS häufig körperlich unruhig sind, verändert sich dies im Erwachsenenalter. Die motorische Unruhe nimmt meist ab oder wird durch viel Bewegung, Sport oder einen vollen Terminkalender ausgeglichen. Stattdessen tritt oft eine innere Unruhe auf – ein ständiges Gefühl von Anspannung, Rastlosigkeit und dem Bedürfnis nach Abwechslung.

Impulsivität

Menschen mit ADHS handeln oft spontan und ohne lange nachzudenken. Sie treffen Entscheidungen aus dem Bauch heraus, unterbrechen andere beim Sprechen oder sagen Dinge, die sie später bereuen. Ein starkes Bedürfnis nach sofortiger Belohnung macht es ihnen schwer, geduldig zu sein – lange Wartezeiten oder Verzögerungen führen schnell zu Frustration.

Auch die Emotionen können sprunghaft sein: Die Stimmung kann innerhalb weniger Sekunden von Begeisterung in Wut oder Enttäuschung umschlagen. Stress- und Frustrationstoleranz sind oft geringer, sodass Betroffene in herausfordernden Situationen schnell gereizt oder überfordert reagieren. Gleichzeitig bringt ihre Spontaneität oft viel Kreativität mit sich und kann in den richtigen Kontexten eine Stärke sein.

Aufgrund der Symptome kann es bei ADHS-Betroffenen zu schulischen, beruflichen, familiären und partnerschaftlichen Problemen kommen. Diese Schwierigkeiten zeigen sich im Alltag durch: Wiederholen von Klassenstufen, Abbrechen von Ausbildungen oder häufigen Jobwechseln, Konflikten in Beziehungen. Weiterhin zeigt sich ein erhöhtes Risiko, weitere psychische Erkrankungen zu bekommen. Hierzu zählen Teilleistungsstörungen (Lese-Rechtschreibstörung, Rechenstörung), Störung des Sozialverhaltens, aber auch Angststörungen, Depressionen und substanzbezogener Missbrauch und Abhängigkeiten.

Woher kommt ADHS?

ADHS hat viele Ursachen. Genetische Faktoren spielen eine große Rolle – Zwillingsstudien zeigen, dass die Erblichkeit bei 70–80 % liegt.3 Das heißt, wenn ein Elternteil betroffen ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch Kinder ADHS entwickeln​.

Neben genetischen Faktoren spielen auch Umweltfaktoren wie pränatale Belastungen, frühkindlicher Stress oder toxische Einflüsse (z. B. Alkohol- oder Nikotinkonsum während der Schwangerschaft) eine Rolle. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass das Zusammenspiel von Genen und Umweltfaktoren entscheidend ist.

Wie wird ADHS diagnostiziert und behandelt?

ADHS zu erkennen, ist gar nicht so einfach. Es braucht spezialisierte Fachleute (Kinder- und Jugend)-Psychiater*innen, (Kinder- und Jugend)-Psychotherapeut*innen), die sich ein genaues Bild machen – am besten schon im Kindesalter. Aber auch bei Erwachsenen ist eine Diagnose möglich.

Die beste Behandlung besteht aus einer Kombination aus Psychoedukation, Verhaltenstherapie und – falls notwendig – medikamentöser Unterstützung.4

Multimodale Therapie

Die Behandlung setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen:

  • Psychoedukation: Aufklärung über ADHS für Betroffene und ihr Umfeld
  • Verhaltenstherapie: Entwicklung von Strategien zur Selbstorganisation, Emotionsregulation und Impulskontrolle
  • Medikamentöse Behandlung: Bei stark ausgeprägten Symptomen Einsatz von Stimulanzien wie Methylphenidat (Ritalin ist ein bekanntes Medikament, das diesen Wirkstoff enthält) oder Atomoxetin
  • Begleitende Maßnahmen: Sport, strukturierter Alltag und Strategien zur Stressbewältigung können helfen

Die Therapie sollte individuell angepasst sein, denn ADHS zeigt sich bei jeder Person unterschiedlich.

Wie kann das Umfeld unterstützen?

Für Eltern und Lehrer*innen gibt es viele Möglichkeiten, zu helfen:

Die beste Behandlung besteht aus einer Kombination aus Psychoedukation, Verhaltenstherapie und – falls notwendig – medikamentöser Unterstützung.

  • Klare Regeln und feste Strukturen geben Orientierung.
  • Positives Verhalten loben, statt Fehler zu kritisieren, stärkt das Selbstbewusstsein.
  • In der Schule können Nachteilsausgleiche (z. B. mehr Zeit für Prüfungen) den Alltag merklich erleichtern.

Warum Prävention so wichtig ist

ADHS lässt sich zwar nicht „heilen“, aber mit der richtigen Unterstützung kann das Leben deutlich einfacher werden. Je früher die Diagnose, desto besser die Chancen, negative Folgen zu verhindern. Die richtige Unterstützung hilft nicht nur Betroffenen, sondern auch ihrem Umfeld, besser mit den Herausforderungen umzugehen.

Willst du mehr über ADHS erfahren oder Tipps für den Umgang mit Betroffenen bekommen? Bei ADHS Deutschland e.V. findest du wertvolle Informationen sowie Selbsthilfeangebote.

Bei unseren Fortbildungen von tomoni.starts für alle, die an Grundschulen tätig sind, findest du außerdem ein eigenes Modul zu ADHS.

 

Literaturverzeichnis

1 Döpfner, M., & Banaschewski, T. (2022). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen. In Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (Hrsg.), S3-Leitlinie ADHS.

2 Simon, V., Czobor, P., Bálint, S., Mészáros, A., & Bitter, I. (2009). Prevalence and correlates of adult attention-deficit hyperactivity disorder: Meta-analysis. British Journal of Psychiatry, 194(3), 204–211.

3 Faraone, S. V., Perlis, R. H., Doyle, A. E., Smoller, J. W., Goralnick, J. J., Holmgren, M. A., & Sklar, P. (2005). Molecular genetics of attention-deficit/hyperactivity disorder. Biological Psychiatry, 57(11), 1313–1323.

4 DGPPN S3-Leitlinie ADHS (2018). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.