Psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund – besondere Herausforderungen

12.03.2025 von Michaela Strobel

Insbesondere für Kinder und Jugendliche, die in jungen Jahren ihre Heimat verlassen haben, gibt es spezifische Herausforderungen, die zu einer erhöhten psychischen Vulnerabilität führen können1. Viele dieser jungen Menschen stehen in einem anderen Land vor komplexen kulturellen, sprachlichen und sozialen Herausforderungen, die es ihnen schwer machen, sich in einer neuen Umgebung zu orientieren und zu integrieren.

Ein differenzierter Blick auf die sozialen, kulturellen und psychologischen Faktoren ist entscheidend, da diese die psychische Gesundheit beeinflussen können. Nur durch ein Verständnis der besonderen Herausforderungen können Schulen, Eltern und die Gesellschaft als Ganzes Maßnahmen ergreifen, um diese Gruppe gezielt zu unterstützen.

Dieser Blogartikel kann den unterschiedlichen Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrations- bzw. Fluchterfahrung natürlich nicht vollständig gerecht werden. Die Erlebnisse und spezifischen Herausforderungen unterscheiden sich je nach Herkunftsland und individueller Erfahrungen stark. Er bietet aber einen Überblick und Hilfestellungen zur Unterstützung dieser jungen Menschen.

Diese Faktoren fördern das Auftreten von psychischen Erkrankungen:

  • Rassismus, soziale Ausgrenzung und Mobbing
  • Mangelnde Teilhabe aufgrund von Sprachbarrieren
  • Unterbringung in beengten und nicht kindgerechten Unterkünften für Geflüchtete
  • Unverarbeitete Flucht- oder Kriegserfahrungen, die Traumata hinterlassen
  • Kulturelle und religiöse Unterschiede zum Herkunftsland
  • Anpassungsdruck und daraus resultierender Stress
  • Familiäre Belastungen

Häufige psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationserfahrung bzw. -hintergrund

Durch die multifaktoriellen Belastungen, die die jungen Menschen unter Umständen im Herkunftsland, auf der Flucht sowie in Deutschland erleben, kommt es häufig zu folgenden psychischen Störungen:2

  • Angststörungen: Neben allgemeinen Ängsten entwickeln die jungen Menschen durch ihre Erlebnisse häufig spezifische Ängste sowie Ängste vor Neuem oder sozialer Ausgrenzung.
  • Verhaltensauffälligkeiten: Viele Kinder und Jugendliche entwickeln aus kompensatorischen Gründen Verhaltensauffälligkeiten.
  • Posttraumatische Belastungsstörungen: Besonders Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung leiden unter den psychischen bzw. psychosomatischen Folgen der Erlebnisse.
  • Durch belastende Erfahrungen aber auch durch Faktoren wie die Sprachbarriere kann es zu Depressionen kommen, die jedoch oft unbemerkt bleiben.

Herausforderungen für Eltern im Schulkontext

An dieser Stelle soll gesagt sein, dass auch die Eltern der Kinder und Jugendlichen in dieser Situation vor diversen Herausforderungen stehen. Im Kontext Schule sind das vor allem:

  • Sprachbarrieren
  • Das deutsche Bildungssystem ist unbekannt
  • Es wird aktive Teilhabe erwartet, was im Bildungssystem anderer Länder nicht immer der Fall ist
  • Mögliche konservativ bzw. religiös geprägte Ansichten können zu Konflikten führen
  • Die Eltern können im Kontext Schule wiederum von Rassismus betroffen sein

Anzeichen für psychische Belastungen bei Schüler*innen

Besondere Aufmerksamkeit ist – allgemein aber auch bei dieser Thematik – geboten, wenn folgende Anzeichen bei Schüler*innen auftreten:

  • Rückzug aus der Gruppe
  • Häufige Fehlzeiten aufgrund somatisierter Symptome
  • Hoher Beschwerdedruck, der oft schwer einzuordnen ist
  • Zunehmender Konsum von Alkohol und Drogen

Unterstützende Maßnahmen an Schulen

Auch wenn Schulen nicht alles auffangen können, können sie einen Beitrag leisten. Es folgen Anregungen zur Umsetzung:

Für Schüler*innen:

  • Feste Sprachfördermaßnahmen integrieren
  • Auf Angebote von Schulsozialarbeit und Schulpsychologie aufmerksam machen
  • Einführung von Patenschaften unter den Schüler*innen
  • Soziale Interaktion im Unterricht fördern
  • Aufbau von Empathie und Unterstützung im Klassenverband

Für Lehrkräfte:

  • Interkulturelle Kompetenz fördern und über Herkunftsländer, deren Situation und Kultur aufklären
  • Das Bewusstsein für die besondere Problematik von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund schärfen
  • Enge Zusammenarbeit mit psychologischen Diensten, Schulpsychologen, Sozialdiensten und Behörden

Für Eltern:

  • Elternbriefe in den Herkunftssprachen verfassen
  • Elternabende und Elterngespräche möglichst mit Dolmetscher*innen führen
  • Eine Liste von Dolmetscher*innen, nach Bundesländern sortiert, findest Du unter: https://integration.stiftung-kinder-forschen.de/hintergrund/weiterfuehrende-links/dolmetscher-sprachmittlerangebote. Auch die Schulämter können mitunter Adressen anbieten.
  • Informationsabende zum deutschen Schulsystem und zu Beteiligungsmöglichkeiten der Eltern am Schulgeschehen anbieten
  • Interkulturelle Schulfeste zur Förderung des Miteinanders organisieren

Psychosoziale Versorgung und Hilfsangebote

Die Anerkennung und das Verständnis von psychischen Erkrankungen hängen stark von kulturellen, sozialen und historischen Kontexten ab. In manchen Kulturen sind sie nicht als medizinisches oder psychiatrisches Problem anerkannt, sondern werden als spirituelles, familiäres oder persönliches Problem betrachtet. Symptome werden dann oft somatisiert und die zugrunde liegenden Probleme werden nicht behandelt.

Inzwischen gibt es kultursensible Behandlungen, die jedoch den Betroffenen häufig nicht bekannt sind. Informationen und Material für betroffene Eltern und Schüler*innen in ihrer Landessprache finden sich unter: https://www.patienten-information.de/themen/psyche-und-verhalten Für Lehrkräfte, die mit betroffenen Schüler*innen arbeiten, stehen verschiedene Hilfsangebote zur Verfügung:

  • Zentren für interkulturelle Psychotherapie
  • Mehrsprachige Sprechstundenangebote
  • Behandlungszentren für Traumafolgestörungen

Detaillierte Informationen zu Anlaufstellen und Gesundheitsversorgung für Geflüchtete bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter: https://infodienst.bzga.de/migration-flucht-und-gesundheit/anlaufstellen-fuer-gefluechtete

Fazit

Junge Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung sind aufgrund ihrer Erlebnisse und der herausfordernden Situation besonders vulnerabel und bedürfen zusätzlicher Aufmerksamkeit und Hilfe. Schulen und Lehrkräfte können durch ein wachsames Beobachten und frühes Erkennen von Anzeichen sowie durch die Zusammenarbeit mit Eltern und sozialen Diensten einen Beitrag zur Unterstützung leisten. Darüber hinaus helfen die zuvor beschriebenen Maßnahmen dabei, die neue Situation zu erleichtern und Belastungen zu verringern. Dies bietet betroffenen Kindern und Jugendlichen die Chance auf eine bessere psychische Gesundheit und Integration.

 

Literaturverzeichnis

1 Fragner, L., Schiffler, T., Plener, P. L. (2023): Migration und Flucht – Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. In: Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Veröffentlicht am 17.05.2023.
URL: https://www.springermedizin.de/emedpedia/detail/psychiatrie-und-psychotherapie-des-kindes-und-jugendalters/migration-und-flucht-auswirkungen-auf-kinder-und-jugendliche?epediaDoi=10.1007%2F978-3-662-49289-5_51
[zuletzt abgerufen am 09.12.2024].

2 Deutsches Jugendinstitut (DJI): Hornfeck, F., Kappler, S. & Kindler, H. (o. J.). Besonders gefährdet: junge Menschen beim Ankommen nach der Flucht.
URL: https://www.dji.de/ueber-uns/themen/psychische-gesundheit/besonders-gefaehrdet.html
[zuletzt abgerufen am 20.12.2024].